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Vladimir Pougach - J:Mors

Gutarka / "гутарка" ist das belarusische Wort für Gespräch. Unter dieser Rubrik finden Sie spannende Interviews, welche wir mit Kunst- und Kulturschaffenden  führen, um Ihnen ganz private Einblicke in die Welt der belarusischen Musik, Kunst und Kultur zu gewähren!


Vladimir Pougach - Frontmann einer der bekanntesten belarusischen Bands J:Mors war bei uns mit seinem Akustischen Konzert zu Besuch. Seit 2022 wohnt er und seine Band (wie viele Andere) in Warschau. Das Leben im Ausland scheint sowohl neue Impulse und Wege zu ermöglichen, als auch gefährliche Risiken darzustellen. In unserer GUTARKA³ mit Vladimir Pougach geht es um die Zusammenarbeit mit dem Theater, kulturelle Vielfalt, beste Musik um Belarus kennenzulernen und vieles mehr. Schauen Sie gerne rein!

Theater, Musik, Kunst

Kulturverein Belarus (KuB): Sie waren bei einer Inszenierung des Kupala-Theaters beteiligt (Theaterstück “Zekameron”), und, wenn ich es richtig verstehe, haben Sie dort sowohl Musik geschrieben als auch als Schauspieler mitgespielt. Wie unterscheidet sich das Komponieren für ein Album vom Schreiben von Musik für eine konkrete Aufgabe?

Vladimir Pougach (VP): Eigentlich war das nicht nur früher so – das Projekt läuft weiter. In ein paar Wochen steht schon die nächste Aufführung an. Am Anfang kamen die Kupalaucy auf mich zu, mit der Idee, dass ich ein Lied für sie schreiben könnte. Und dann haben sie mich eingeladen, als dritter Schauspieler mitzuspielen, und jetzt bin ich einer von dreien: Siarhei Chub, Aleh Harbuz und ich. Wir haben das Stück schon in Berlin, Prag, Zürich aufgeführt und etwa 15-mal in Polen.
Der Prozess unterscheidet sich im Grunde gar nicht. Es ist ja kein Business-Projekt mit irgendwelchen bestimmten Zielen, Berichten oder Vorgaben. Es ist dasselbe - du schreibst einfach Songs. Der einzige Unterschied: Für ein Theaterstück bekommt man einen Rahmen vorgegeben. Man weiß, worüber man schreibt, und muss sich das nicht selbst ausdenken, denn der Autor erklärt, worum es geht. Das ist der einzige Unterschied.


KuB: Sie haben einen Song in der polessischen Sprache/Dialekt veröffentlicht, und überhaupt interessieren Sie sich für dieses Thema. Wie würden Sie unserem deutschen Leser oder jemandem, für den Polesien und Belarus völlig unbekannt sind, erklären, was das ist und was für Sie Polesien und das Poleschuk-Sein bedeutet? (Poleschuk = Einwohner von Polesien)

VP: Mir scheint, Deutschen ist das nicht sehr schwer zu erklären, wenn ein Mensch aus Hamburg einen Menschen aus München nicht sehr gut versteht (lacht). Oder nehmen wir Plattdeutsch – ich finde, der polessische Dialekt ist so etwas wie Plattdeutsch. Wie sonst könnte man es erklären? Das ist kulturelle Vielfalt, die es übrigens gerade in Deutschland ziemlich viel gab. Als in einem relativ kürzlich gebauten Staat. Und in Belarus gibt es eine solche Region – das Polesien, und zwar das südwestliche Polesien, woher ich komme. Das ist ein besonderer Ort an der Grenze polnischer, ukrainischer, belarusischer und sogar ein wenig russischer Kultur, wobei das Russische erst während der Sowjetzeit kam.


 KuB: Und für Sie persönlich?

VP: Das ist die Sprache, in der meine Großmutter gesprochen hat, das ist die Sprache, die ich in meiner Kindheit gehört habe. Denn so ein literarisches Belarusisch, das wir jetzt miteinander sprechen, habe ich, während ich in Pinsk in meiner Kindheit lebte, nur im Radio und im Fernsehen gehört. In den Dörfern sprach man eben Polessisch. Es unterscheidet sich stark – so wie eine Mischsprache. Ähnlich wie das, was die Ukrainer „Surzhyk“ nennen. Und es [Polessisch] existiert bis heute, außerdem habe ich viele Aufnahmen aus ethnographischen Expeditionen aus unserem Bezirk, unter anderem Audioaufnahmen von Dorfchören. Ich habe das alles, aber das Lied, das ich bearbeitet habe, habe ich schon lange machen wollen –eigentlich hätte ich genug Material für ein ganzes Album.


KuB: Cool, werden wir es irgendwann hören können?

VP: Ich hoffe sehr darauf, denn jetzt gibt es einfach ein paar andere Ziele für die nähere Zukunft. Aber das Material ist da, der Wunsch ist da, und ich hoffe, dass es klappt.


 ©Kupalaucy // "Zekameron"

KuB: Noch eine Sprachenfrage: im Jahre 2005 haben Sie ihr Lied „Mojo Solnze“ auf Russisch veröffentlicht, im Jahre 2007 dasselbe Lied auf Belarusisch: „Majo Sonca“. In welcher Sprache ist dieser Song für Sie?

VP: Sprache ist für mich ein Kommunikationsprotokoll. Ich habe sie nie als etwas entscheidendes oder Ideologisches gesehen. Für mich geht es darum, Emotionen und Gedanken zu vermitteln; die Sprache ist einfach ein Werkzeug dafür. Wenn ein Lied auf Belarusisch entsteht, dann passt dieses Kommunikationsmittel eben besser. Wenn es auf Russisch entsteht – genauso. Ich singe auch etwas auf Ukrainisch, auf Englisch, früher sogar schon auf Deutsch.
Bei diesem konkreten Song war es so: ursprünglich war er auf Russisch geschrieben, aber dann bekam ich eine sehr gute Übersetzung ins Belarusische – die gefällt mir, und die singe ich bis heute meistens. Einfach, weil es sich für mich so richtig anfühlt, nicht aus irgendeinem Prinzip. 

KuB: Genau das wollte ich wissen – wie Sie sich das Lied für sich vorstellen.

VP: Im Moment, heute – vielleicht ändert sich das in einem Jahr – aber heute passt das Lied emotional und körperlich sehr gut zu meinem jetzigen Zustand. Auf Belarusisch passt es dazu am besten.

КuB: Hat sich die Musik, die Sie hören, verändert, seitdem Sie Belarus verlassen haben?
VP: Nein, meine Vorlieben ändern sich nicht so radikal. Wenn ich 15 wäre, vielleicht würde mich das so stark beeinflussen, dass aufhören würde etwas zu hören und umgekehrt. Ich höre sehr vieles, das Spektrum ist schon breit, von…
KuB: ...Saladucha? (belarusischer regierungsnaher Sänger) 
VP: Nein, nein, das Spektrum ist schon sehr breit, aber ich habe meine eigene Qualitäts- und Geschmackskriterien – da fällt Saladucha einfach nicht rein. Ich meine: von Folk bis Industrial, von Jazz bis New-Metal. Es ist ein Stereotyp, dass Künstler nur die Musik hören, die sie selbst spielen. Das stimmt meist überhaupt nicht – nicht nur bei mir, sondern bei vielen Künstlern, die ich kenne. Und ich liebe z.B. Ivan Kirtschuk (Band „Troitsa“) sehr – er ist einer meiner absoluten Lieblingskünstler aus Belarus.

KuB: Welche wären ihre Top-5 Musiker/Bands, die Sie jemandem empfehlen würden, der noch nie belarusische Musik gehört hat?
VP: Sollen sie belarusische Identität unterstreichen, oder einfach gute Musik sein? Das ist nämlich nicht das Gleiche. Es gibt viele großartige belarusische Bands, die tollen europäischen Mainstream machen, aber das Belarusische gar nicht betonen. Wenn es aber genau um das Belarusische gehen soll, wären das: die „Pesniary“, unbedingt Ivan Kirtschuk als Solokünstler und die Band „Troitsa“, Re1ikt, Shuma… Und natürlich – damit hätte ich anfangen müssen (lacht) – Liavon Arturawitsch (Liavon Volski). Das ist so selbstverständlich, dass ich ihn fast vergessen hätte.

KuB: Und wie sehen Sie J:Мors morgen?
VP: Der Planungshorizont ist unter den aktuellen Umständen kurz. Ich möchte J:Мors morgen existierend sehen. So steht die Frage – und dafür tue ich alles. Wir machen gerade neue Musik, sogar zwei Projekte: ein neues J:Мors-Album und den OST zum Theaterstück „Zekameron“, nach dem Sie schon gefragt haben. Wir nehmen dafür neue Songs auf, die als eigenes Album erscheinen werden. Wir organisieren Konzerte, ich mache manchmal kreative Treffen allein wie das heutige, manchmal fahren wir als Band, ich spiele Aufführungen. Wir existieren. Denn Bewegung ist Leben, wie man sagt.

Im Jahre 2025 hat J:Mors eine Wiederausgabe ihres Albums "Электричество" veröffentlicht, wir laden Sie herzlich ein, sich das Original anzuhören und es mit der neuen Version zu vergleichen!