Vladimir Pougach - J:Mors
Gutarka / "гутарка" ist das belarusische Wort für Gespräch. Unter dieser Rubrik finden Sie spannende Interviews, welche wir mit Kunst- und Kulturschaffenden führen, um Ihnen ganz private Einblicke in die Welt der belarusischen Musik, Kunst und Kultur zu gewähren!
Theater, Musik, Kunst
Vladimir Pougach (VP): Eigentlich war das nicht nur früher so – das Projekt läuft weiter. In ein paar Wochen steht schon die nächste Aufführung an. Am Anfang kamen die Kupalaucy auf mich zu, mit der Idee, dass ich ein Lied für sie schreiben könnte. Und dann haben sie mich eingeladen, als dritter Schauspieler mitzuspielen, und jetzt bin ich einer von dreien: Siarhei Chub, Aleh Harbuz und ich. Wir haben das Stück schon in Berlin, Prag, Zürich aufgeführt und etwa 15-mal in Polen.
Der Prozess unterscheidet sich im Grunde gar nicht. Es ist ja kein Business-Projekt mit irgendwelchen bestimmten Zielen, Berichten oder Vorgaben. Es ist dasselbe - du schreibst einfach Songs. Der einzige Unterschied: Für ein Theaterstück bekommt man einen Rahmen vorgegeben. Man weiß, worüber man schreibt, und muss sich das nicht selbst ausdenken, denn der Autor erklärt, worum es geht. Das ist der einzige Unterschied.
KuB: Sie haben einen Song in der polessischen Sprache/Dialekt veröffentlicht, und überhaupt interessieren Sie sich für dieses Thema. Wie würden Sie unserem deutschen Leser oder jemandem, für den Polesien und Belarus völlig unbekannt sind, erklären, was das ist und was für Sie Polesien und das Poleschuk-Sein bedeutet? (Poleschuk = Einwohner von Polesien)
VP: Mir scheint, Deutschen ist das nicht sehr schwer zu erklären, wenn ein Mensch aus Hamburg einen Menschen aus München nicht sehr gut versteht (lacht). Oder nehmen wir Plattdeutsch – ich finde, der polessische Dialekt ist so etwas wie Plattdeutsch. Wie sonst könnte man es erklären? Das ist kulturelle Vielfalt, die es übrigens gerade in Deutschland ziemlich viel gab. Als in einem relativ kürzlich gebauten Staat. Und in Belarus gibt es eine solche Region – das Polesien, und zwar das südwestliche Polesien, woher ich komme. Das ist ein besonderer Ort an der Grenze polnischer, ukrainischer, belarusischer und sogar ein wenig russischer Kultur, wobei das Russische erst während der Sowjetzeit kam.
VP: Das ist die Sprache, in der meine Großmutter gesprochen hat, das ist die Sprache, die ich in meiner Kindheit gehört habe. Denn so ein literarisches Belarusisch, das wir jetzt miteinander sprechen, habe ich, während ich in Pinsk in meiner Kindheit lebte, nur im Radio und im Fernsehen gehört. In den Dörfern sprach man eben Polessisch. Es unterscheidet sich stark – so wie eine Mischsprache. Ähnlich wie das, was die Ukrainer „Surzhyk“ nennen. Und es [Polessisch] existiert bis heute, außerdem habe ich viele Aufnahmen aus ethnographischen Expeditionen aus unserem Bezirk, unter anderem Audioaufnahmen von Dorfchören. Ich habe das alles, aber das Lied, das ich bearbeitet habe, habe ich schon lange machen wollen –eigentlich hätte ich genug Material für ein ganzes Album.
KuB: Cool, werden wir es irgendwann hören können?
VP: Ich hoffe sehr darauf, denn jetzt gibt es einfach ein paar andere Ziele für die nähere Zukunft. Aber das Material ist da, der Wunsch ist da, und ich hoffe, dass es klappt.

©Kupalaucy // "Zekameron"
KuB: Noch eine Sprachenfrage: im Jahre 2005 haben Sie ihr Lied „Mojo Solnze“ auf Russisch veröffentlicht, im Jahre 2007 dasselbe Lied auf Belarusisch: „Majo Sonca“. In welcher Sprache ist dieser Song für Sie?
KuB: Genau das wollte ich wissen – wie Sie sich das Lied für sich vorstellen.

Im Jahre 2025 hat J:Mors eine Wiederausgabe ihres Albums "Электричество" veröffentlicht, wir laden Sie herzlich ein, sich das Original anzuhören und es mit der neuen Version zu vergleichen!

